Plattdeutsch schreiben
Die hochdeutsche Rechtschreibung, die mehr und mehr in die plattdeutsche Rechtschreibung eingedrungen ist, geht von einem unveränderlichen Wortstamm aus. Auch wenn sich Silbengrenzen ändern bleibt der Wortstamm erhalten. Dadurch sind sehr viele Rechtschreibregeln erforderlich. Da diese für die Plattdeutsche Sprache nicht vorgeschrieben sind, muss es zwangsläufig zu einem Wirrwarr an Schreibweisen kommen. Um dem vorzubeugen bietet es sich an, phonetischen Gesichtspunkten zu folgen. Daher ist der Ausgangspunkt des hier wiedergegebenen Sprachschatzes die gesprochene Silbe in Verbindung mit dem Wortstamm, wie sie in der niederländischen Sprache oder auch im nord-niederdeutschen Sprachraum verbreitet ist. So lassen sich die Regeln auf ein Minimum reduzieren.
Regeln für die plattdeutsche Rechtschreibung
Für das „Wörterbuch des Münsterländer Platt“ wurden die folgenden zwölf Regeln entwickelt bzw. übernommen.
§1 Es gilt die Großschreibung für Wörter am Satzanfang sowie für Hauptwörter und persönliche Anreden.
Diese Regel entstammt dem Hochdeutschen und bietet sich wegen des gewohnten Schriftbildes anstelle der generellen Kleinschreibung an. Sprachlich gibt es dafür allerdings keine Notwendigkeit. Eine generelle Kleinschreibung brächte allerdings die Ausnahme mit sich, dass Eigennamen wiederum groß geschrieben werden müssen.
§2 Ausgangspunkt ist die gesprochene Silbe. Ändern sich die Silbengrenzen, ändert sich häufig auch die Schreibweise.
Im Hochdeutschen gibt es diese Regel nicht. Im Plattdeutschen dagegen kommt dieser Regel bei geschlossenen Silben eine elementare Bedeutung zu wie bei:
Baan = Bahn, Mehrzahl: Ba·nen statt Baa·nen
oder Schien = Schein, Mehrzahl: Schi·ne statt Schie·ne.
Verbunden mit dieser Regel ist das Zufügen von Silben. Im Hochdeutschen stellt sie eher die Ausnahme dar. Man kennt z.B. folgende Begriffe und deren Mehrzahlbildung:
Ereignis – Ereignisse, Freundin – Freundinnen, Wirtin – Wirtinnen,
Hindernis – Hindernisse, Zeugnis – Zeugnisse.
Auch die Bildung der Vergangenheitsform z.B. des Verbs „haben“ erfolgt durch das Anhängen einer Silbe:
Gegenwart: Er hat. – Vergangenheit: Er hatte.
Genau dieselbe Vorgehensweise gilt auch für das Plattdeutsche, hier allerdings ohne jede Ausnahme:
Pin = Stift, Mehrzahl Pin·ne; plat = flach → plat·te = flache.
§3 Der Wortstamm wird berücksichtigt.
Hier wird Anleihe an der hochdeutschen Orthographie und damit dem Ansinnen von Konrad Duden genommen, die Wiedererkennbarkeit eines Begriffes in seinen verschiedenen Beugungsformen zu gewährleisten. Zu nennen ist hier z.B. das hochdeutsche Wort gelb, bei dem sich das Endungs-b wie ein p anhört. Bei der Beugung gelbe wird klar, dass es ein b sein muss. Gleichfalls gilt dies für Kind, bei dem das Endungs-d wie ein t klingt. In der Mehrzahlbildung Kinder wird deutlich, dass ein d der richtige Endungsbuchstabe ist. Da wir die Schreibweise gelernt haben und immer wieder lesen bzw. schreiben erscheint sie selbstverständlich. Leider gibt es sehr viele plattdeutsche Schriftstücke, in denen diese auf den ersten Blick einfach erscheinende Forderung nicht beherzigt wird wie die nachfolgenden Beispiele an Hauptwörtern zeigen.
Einzahl Hochdeutsch |
Mehrzahl Hochdeutsch |
falsche Einzahl |
richtige Einzahl Plattdeutsch |
Mehrzahl Plattdeutsch |
Bett |
Betten |
Bett |
Bed |
Bedden |
Hof |
Höfe |
Hoff |
How |
Hüöwe |
Korb |
Körbe |
Kuorf |
Kuorw |
Küörwe |
Kreis |
Kreise |
Krink |
Kring |
Kringe |
§4 Worttrennungen erfolgen stets am Silbenende.
Diese Regelung hat inzwischen auch konsequent Einzug in die sogenannte neue deutsche Rechtschreibung gefunden, wie bei der Trennung des st. Ein Beispiel aus dem Plattdeutschen ist das Wort Püüs·ter = Gewehr.
§5 Das Dehnungs-e wird nur beim Selbstlaut i geschrieben, um Verwechslungen mit dem Umlaut ü bei handgeschriebenen Schriftstücken zu vermeiden.
Auch diese Regel findet in der hochdeutschen Sprache sowie im Niederländischen ihre Anwendung. Beispiele aus dem Plattdeutschen sind:
Wien = Wein; mien = mein; liek = gleich.
§6 Das Dehnungs-h wird nicht verwendet.
In der hochdeutschen Orthographie findet das Dehnungs-h eine weite Verbreitung, obwohl es überflüssig sein müsste, wenn doch einzeln geschriebene Selbstlaute die gedehnte Aussprache kennzeichnen. Der Wal wird ohne, die Wahl mit dem h geschrieben, wohl nur um die Begriffe im Schriftbild eindeutig zu unterscheiden. Phonetisch hat das h überhaupt keine Bedeutung, man hört es nicht! Daher kann darauf völlig verzichtet werden.
§7 Lang gesprochene Selbst- und Umlaute werden am Silbenende einfach geschrieben.
Im Hochdeutschen gibt es Beispiele dafür, nicht nur kurz gesprochene, sondern auch lang gesprochene Selbstlaute einfach, doppelt oder mit einem Dehnungs-e bzw. –h, ja sogar mit einem Dehnungs-e und -h gleichzeitig zu schreiben, beispielsweise zu, du oder Vieh, Tee, die, sieh, Kuh. Im Plattdeutschen stellt sich das viel einfacher dar, wie die Beispiele
to = zu; du = du, Ve = Vieh; Te = Tee, mi = mir; sü = siehe, Ko = Kuh
zeigen.
§8 Lang gesprochene Selbst- und Umlaute werden in geschlossenen Silben und am Silbenanfang verdoppelt.
Hierfür gibt es in der hochdeutschen Orthographie genügend gleiche Beispiele, wie bei Haar oder Aal. Eine Ausnahmeregel im Hochdeutschen verbietet jedoch die Verdopplung von Umlauten. Deshalb gibt es zwar das Haar, aber das Härchen, den Aal, aber das Äl·chen. Hier verstößt diese Schreibweise sogar gegen die fundamentale Forderung des unveränderlichen Wortstammes! Solche Ausnahmen erübrigen sich im Plattdeutschen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:
Muul = Maul, uut = aus, gään, Söök = Suche und Püüster = Blasrohr.
§9 Allein gesprochene Selbst- und Umlaute werden einfach geschrieben.
Diese Regel findet auch im Hochdeutschen ihre Anwendung, auch wenn aufgrund des unveränderlichen Wortstammes wie beim Wort aa·sen keine absolute Konsequenz erkennbar wird. Anders im Plattdeutschen, wo aus der Uul die U·len werden und ansonsten geschrieben wird:
A·pe = Affe; E·ke = Eiche, I·le = Eile, ö·men = verulken, Ü·se = Kröte.
§10 Kurz gesprochene Selbst- und Umlaute werden einfach geschrieben; daher erübrigt sich die Mitlautverdopplung am Silbenende.
Beispiele für die inkonsequente Anwendung der hochdeutschen Schreibregeln mit der Forderung nach einer Mitlautverdopplung fanden bereits Erwähnung. Hier seien die Worte mit, in oder das genannt, die konsequenter Weise als mitt, inn oder dass zu schreiben wären. Bei der Schreibung der plattdeutschen Sprache sind Ausnahmen nicht erforderlich, wie die Worte
met = mit, in = in, dat = das, Ülk = Iltis, of = ob und up = auf
zeigen.
§11 Das gequetschte e wird durch ein e mit einem Trema ausgedrückt.
Eine Besonderheit im Plattdeutschen stellt das gequetschte e dar, welches sich sprachlich gravierend vom üblichen e unterscheidet wie z.B. in guëd = gut oder Rië·kel = männlicher Hund. Daher hat es als einziges Sonderzeichen im Vergleich zur bekannten hochdeutschen Schreibung seine Berechtigung.
Hinweis: Das ë lässt sich per PC durch Drücken der ALT-Taste und Eingabe der Zahl 137 sowie über Einfügen/Sonderzeichen laden. Als Schreibhilfe bietet sich ein Shortcut: z.B. Strg+Groß/Klein+e an.
§12 Eine Mitlautverdopplung innerhalb einer Silbe gibt es nicht.
Beispielsweise ist beim hochdeutschen Wort bekannt eine Mitlautverdopplung aufgrund der Regel des „unveränderlichen Wortstammes“ notwendig, obwohl das doppelte n nicht am Silbenende, sondern mitten in der Silbe steht. Solches entfällt für das Plattdeutsche, da kurz gesprochene Selbst- und Umlaute einfach geschrieben werden und sich die Mitlautverdopplung daher erübrigt (vgl. §10).
Während zur richtigen Schreibung des Hochdeutschen also im Grunde genommen die Schreibweise des jeweiligen Wortstammes bekannt sein muss, oder aber alle Regeln, insbesondere auch die vielen Ausnahmeregeln, beherrscht sein müssen, lässt sich der plattdeutsche Wortschatz mit den zuvor genannten zwölf vergleichsweise einfachen Regeln ausnahmslos eindeutig und richtig schreiben. Wie das geschriebene Wort aussieht, hängt nicht von der Wahl der Regeln ab, da sie alle gleichzeitig gelten (keine Regel widerspricht einer anderen), sondern einzig vom Wortstamm und der Aussprache. Damit lassen sich alle Dialekte (nicht nur der plattdeutschen Sprache) eindeutig und lautgerecht schreiben und vor allem auch eindeutig lesen!
In einem 12-stündigen Seminar, an dem bereits rund 100 Plattsprecher erfolgreich teilgenommen haben, wird die Schreibweise vermittelt. Unter dem Titel "Plattdeutsch schreiben (k)eine Kunst - Platt schreiben, wie es gesprochen wird" bzw. „Platdüütsk schriwen (k)ine Kunst“ – Plat schriwen so äs et küert wät" erlenen die Teilnehmer in fünf Unterrichtseinheiten ihren eigenen plattdeutschen Dialekt in einer strukturierten Schreibweise zu formulieren.
Seit dem März 2014 ist eine erste Rechtschreibprüfung für das Münsterländer Platt im Internet verfügbar.
Eine große Hilfe gibt auch ein Vokabeltrainer, mit dem rund 1.500 Wörter unter der Sprache Platt zu erlernen sind. Ganz nebenbei lernt man mit ihm auch Plattdeutsch strukturiert zu schreiben.